Klimaschutz durch Humusaufbau

Ein Interview mit Felix Prinz zu Löewnstein

Felix Prinz zu Löwenstein, wir möchten Sie als neuen Botschafter des Bodenfruchtbarkeitsfonds von Herzen willkommen heissen. Sie weisen immer wieder mit Nachdruck darauf hin, dass der Ökolandbau beim Klimawandel eine entscheidende Rolle spielen könnte – weil er wirksame Verfahren kennt, viel Kohlenstoff stabil im Boden zu binden. Sie schreiben, dass mit der Erhöhung des Kohlenstoffgehalts auf der gesamten Landwirtschaftsfläche der Erde um lediglich vier Promille pro Jahr der jährliche weltweite Ausstoss von schädlichen Klimagasen komplett ausgeglichen werden könnte. Muss ein konventionell wirtschaftender Landwirtschaftsbetrieb auf Bio umstellen, um dieses Ziel zu erreichen?

 

Konventionelle Betriebe, die bewusst etwas für ihre Bodenfruchtbarkeit tun, speichern mehr CO2 als Biobetriebe, die darauf nicht achten. Das wissen wir aus Vergleichsuntersuchungen. In beiden Systemen kann man also etwas für die Humusbildung tun. Biobetriebe haben allerdings die besseren Voraussetzungen, weil sie Kleegras anbauen, vielfältigere Fruchtfolgen haben, keine das Bodenleben beschädigende Chemikalien und keinen mineralischen Stickstoff einsetzen. ‹Vier Promille› kann jeder – mancher auch deutlich mehr.

 

Was bedeuten diese vier Promille zusätzliche Kohlenstoffspeicherung in Kilogramm pro Hektar und Jahr?

 

Das hängt vom Ausgangsgehalt ab und ist deshalb von Ort zu Ort verschieden. Ich weiss nur, dass ich in 24 Jahren Ökolandwirtschaft auf meinem Betrieb den durchschnittlichen Humusgehalt von 1,8 Prozent auf 2,1 Prozent gesteigert habe. Das ist eine Steigerung von 16 Prozent – durchschnittlich 6,6 Promille jährlich. Obwohl wir wirklich nicht behaupten können, das besonders gut gemacht zu haben, ist das deutlich mehr als die Zielgröße.

 

Gerade bei Umstellungsbetrieben scheint das zusätzliche Kohlenstoffspeicherungspotenzial sehr hoch zu sein – insbesondere in den ersten Jahren. Kennen Sie belastbare Untersuchungen, die Auskunft darüber geben, wie viel zusätzlicher Kohlenstoff bei Umstellungsbetrieben in den ersten Jahren im Boden durchschnittlich gebunden werden kann? 

 

Das ist genau unser Problem. Wir kennen Einzelbetriebe, die starke Humussteigerungen hinbekommen haben – ein Vielfaches von dem, was wir auf unserem Hof geschafft haben. Aber die Bedingungen sind sehr unterschiedlich und die wissenschaftliche Aufarbeitung dieser Ergebnisse nahezu nicht existent. Wir brauchen hier gut abgesichertes und statistisch aussagekräftiges Datenmaterial aus Praxisbetrieben. Gut dokumentiert sind diese Vorgänge lediglich bei Langzeitversuchen wie in Rodale (US), in Rothamstedt (GB) oder beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Frick (CH).

 

Wenn der Ausbau des Biolandbaus tatsächlich ein so mächtiger Hebel sein könnte, den Klimawandel positiv zu beeinflussen, warum reden dann fast alle bisher von der Reduktion von CO2-Emissionen und kaum jemand vom Humusaufbau?

 

Trotz einer politischen Initiative seitens der französischen Regierung für den Pariser Gipfel und die Unterstützung durch den deutschen Minister ist dieses Thema noch nicht angekommen. Das Hauptproblem scheint mir zu sein, dass die Mainstream-Wissenschaft und die Praxis, die sich Landwirtschaft nur in den bestehenden Anbausystemen vorstellen kann, es schlichtweg nicht für möglich halten, nennenswert Humus aufzubauen. Aus genau diesem Grund brauchen wir die gut dokumentierten Best-Practice-Betriebe und eine wissenschaftliche Aufarbeitung ihrer Daten. Nicht, weil uns neu wäre, dass Humusaufbau möglich ist, sondern weil wir diese erste Barriere überwinden müssen.

 

Einem Uno-Bericht zufolge, an dem auch Mark Schauer von der Universität Bonn beteiligt war, ist herkömmliche Landwirtschaft für die Volkswirtschaft eine Minusrechnung (Spiegel online, dpa, 15. September 2015). Die verursachten Schäden übertreffen den Nutzen und werden allein in der EU auf 38 Millarden Euro jährlich beziffert. Mit konventioneller Landwirtschaft wird aber sehr viel Geld verdient. Das gilt vielleicht nicht unbedingt immer für Landwirte, aber für multinationale Konzerne, die ihre Produktpalette in globalem Massstab an die Landwirtschaft liefern. Eine grossflächige globale Umstellung auf bio wäre für diese Unternehmen mit beträchtlichen Umsatzeinbussen verbunden. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist nachvollziehbar, dass Monsanto & Co eine Zukunftsvision von Landwirtschaft haben, in der ihre eigenen Produkte noch vorkommen. Viele Produkte dieser Konzerne sind im Ökolandbau überflüssig. Sehen Sie Ansatzpunkte, wie dieser Interessengegensatz überbrückt werden könnte?

 

Die sehe ich nicht. Ich glaube, dass der Landtechnik grosse Aufgaben bei der Ökologisierung der Landwirtschaft zukommen, der Agrarchemie aber nicht. Deshalb wird deren Widerstand gegen Veränderungen hoch bleiben.

 

Sie fordern in einem Interview, dass in etwa 35 Jahren im Preis von Produkten einer umweltschädlichen und ressourcenfressenden Landwirtschaft alle Kosten enthalten sein sollten – zumindest im deutschsprachigen Raum. Dann würde sich niemand mehr diese Produkte leisten wollen. Warum sollten wir noch 35 Jahre warten, bevor wir anfangen, richtig zu rechnen, wie es Christian Hiss in seinem Buch ‹Richtig rechnen›3 fordert? Immerhin kann man relativ schnell durch umweltschädliche Landwirtschaft nutzbaren Ackerboden in Wüste verwandeln. Diesen Prozess aber umzukehren geht wenn überhaupt nur langsam und ist sehr kostenintensiv.

 

In diesen Prozess müssen wir natürlich jetzt schon einsteigen, nicht erst in 35 Jahren. Meine Aussage ist: Wir müssen es bis Mitte dieses Jahrhunderts geschafft haben, eine 100-prozentige ökologische Landwirtschaft zu haben. Dahin werden wir aber nicht dadurch kommen, dass die Verbraucher immer einsichtiger werden und am Ende nur noch (die teureren) Bioprodukte kaufen. Sondern es muss der unfaire Wettbewerb beendet werden, der diejenigen am meisten begünstigt, die den grössten Teil ihrer Kosten externalisieren. Leider aber ist das Brett noch dick. Und man muss ja auch zugeben, dass die Internalisierung der Kosten nicht möglich ist, ohne dass dies zu Problemen mit der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Wirtschaftsräumen führt, in denen das nicht geschieht. Wir reden also nicht nur von Verteuerung schädlicher Betriebsmittel (zum Beispiel durch eine Pflanzenschutzabgabe), sondern auch von Handelsabkommen, die den nötigen Schutz vor Wettbewerbsnachteilen bieten, wenn solche korrigierenden Massnahmen getroffen werden. Die Wirklichkeit geht da gerade in eine andere Richtung!

 

Durch ökologischen Landbau verbessert sich die Wasserhaltekapazität, und die Widerstandskraft der Böden gegen Klimaschwankungen und allerlei Schädlinge nimmt zu. Die Bodenfruchtbarkeit entwickelt sich im Vergleich deutlich besser als im konventionellen Landbau. Das bedeutet doch im Umkehrschluss, dass der konventionell wirtschaftende Landwirtschaftsbetrieb erhebliche und vermeidbare Risiken im Hinblick auf zukünftige Ertragsausfälle eingeht. Hinzu kommt, dass er seine eigene Kapitalgrundlage – die Fruchtbarkeit seines Bodens – stärker schädigt als ein vergleichbarer Biobetrieb. Könnte es sein, dass konventioneller Landbau auch betriebswirtschaftlich eine Minusrechnung ist, auch wenn sich dies erst nach Jahren in der Erfolgsrechnung zeigt?

 

Das stimmt sicher. Aber der Betrieb und seine Inhaber leben nun einmal vom Gewinn, der sich aus Ertrag minus Aufwand ergibt. Der Markt, von dem der Aufwand bezogen und auf dem der Ertrag verkauft wird, bildet ja eben diese langfristigen Effekte nicht ab. Ohne eine politische Steuerung wird das nicht gehen. Ohne sie werden weiterhin die Preise lügen und die Marktmechanismen versagen. 

 

Unternehmen können über den Bodenfruchtbarkeitsfonds ihre CO2-Bilanz ausgleichen, indem sie in Humusaufbau auf regionalen Biohöfen investieren. Wir stehen mit dem Projekt jetzt an dem Punkt, wo wir aktiv nach Unternehmen Ausschau halten, die bereit sind, auf diese Weise ein Stück Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen. Wie würden Sie bei der Suche nach Unternehmen vorgehen?

 

Solange Unternehmen ein Engagement für die Bodenfruchtbarkeit im Rahmen ihrer Corporate Social Responsibility ausüben müssen, gibt es zwar sicherlich ein gewisses Potenzial dafür, diese Verantwortungsbereitschaft abzurufen. Im Sinne der Pionierfunktion, die der ökologische Landbau auszuüben hat, ist das auch sinnvoll. Mittelfristig müssen wir aber dahin kommen, dass die CO2-Bindung als offizielles Instrument der Klimapolitik Anerkennung findet. Dafür braucht es die politische und wissenschaftliche Arbeit, über die wir uns hier unterhalten haben.

 

Herr Prinz zu Löwenstein, wir danken Ihnen für das Gespräch. 

Felix prinz zu löwenstein

Felix Prinz zu Löwenstein ist ein deutscher Agrarwissenschaftler und Landwirt. In den 1980er-Jahren übernahm er den elterlichen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, der sich seit 500 Jahren im Besitz der Familie befindet und stellte ihn 1992 auf Bioproduktion um. Er gilt als bedeutender Kritiker der modernen industriellen Landwirtschaft. Felix Prinz zu Löwenstein bekleidet verschiedene Ehrenämter in Organisationen des ökologischen Landbaus: Vorstandsvorsitzender des Bundes ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und Vorstandsmitglied des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL Deutschland). 2011 veröffentlichte er sein Buch ‹Food Crash›, dem von verschiedenen Seiten viel Anerkennung entgegen gebracht wurde und das jetzt in Neubearbeitung als Taschenbuch aufgelegt wurde. Er weist mit Nachdruck darauf hin, dass die Umstellung der Landwirtschaft auf Ökolandbau und die damit verbundene zusätzliche Kohlenstoffspeicherung im Boden durch Humusaufbau den Klimawandel entscheidend beeinflussen würde. Da sich bei ökologisch bewirtschafteten Böden zugleich die Wasserhaltefähigkeit, die Widerstandsfähigkeit gegen Klimaschwankungen und die Fruchtbarkeit der Böden verbessern würde, wäre es aus seiner Sicht «unfasslich töricht», wenn eine ökologische und regenerative Landwirtschaft nicht bald zum Normalfall werden würde. Seit diesem Jahr ist Felix Prinz zu Löwenstein zudem auch Botschafter des Bodenfruchtbarkeitsfonds. 

danke

Lieber Christopher

Beim Durchstöbern der alten Bodenfruchtbarkeitsmagazine sind wir über dieses Interview gestolpert und mussten es sogleich in die Artikelsammlung in unseren Blog aufnehmen :-) Danke für Deinen Beitrag - Danke für Dein Wirken! Wir freuen uns auf Deine nächsten Publikationen und die weitere wertvolle Zusammenarbeit...

über den autoren

 

 

 Christopher Schümann

Mitarbeiter Projekte der Bio-Stiftung Schweiz

 

 

Quelle: Magazin Bodenfruchtbarkeitsfond 2/2017

 

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0